Nur so ein Gedanke
Was passiert, wenn eine Gesellschaft gleichgültig wird?
Stellen wir uns mal vor,
Du sitzt in deinem Wohnzimmer, scrollst durch die Nachrichten auf deinem Handy. Die üblichen Schlagzeilen: drohende Wirtschaftskrise, das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps, und am Rande Europas bahnt sich ein Konflikt an, der immer mehr eskaliert. Du liest kurz, denkst dir "Ja, schlimm... aber was soll ich tun?“ und scrollst weiter zu einem Artikel über die neuesten Serien auf Netflix. In dem Moment schleicht sich ein Gefühl ein, das wir alle irgendwann mal erlebt haben, die Gleichgültigkeit.
Aber was passiert eigentlich, wenn diese Gleichgültigkeit nicht nur einzelne Momente betrifft, sondern zur Grundhaltung einer ganzen Gesellschaft wird? Wenn Themen wie Krieg, Krisen, politische Probleme und der Verfall von zentralen Institutionen wie dem Gesundheitssystem nicht mehr mit echter Sorge betrachtet werden, sondern nur noch mit einem "Das wird schon irgendwie“?
Gleichgültigkeit ist ein schleichender Prozess. Sie entsteht nicht von heute auf morgen. Es beginnt oft mit einer Überforderung. Die Nachrichtenflut, die uns täglich erreicht, ist gewaltig. Jeden Tag prasseln Meldungen über Krisen, Konflikte und Katastrophen auf uns ein. Unser Gehirn ist nicht dafür gemacht, das alles aufzunehmen. Also beginnt es, sich zu schützen. Statt Schock und Empörung über die nächste Krise kommt irgendwann das Achselzucken. Es ist, als würden wir abstumpfen.
Doch diese Gleichgültigkeit ist nichts Neues. Wenn wir in die Geschichte schauen, finden wir viele Beispiele, in denen Gesellschaften auf Probleme mit Resignation oder gar Gleichgültigkeit reagiert haben und das oft mit verheerenden Folgen.
Nehmen wir mal das Römische Reich. Im Laufe seiner Geschichte durchlief Rom zahlreiche Krisen, politische Instabilität, wirtschaftliche Probleme, innere Konflikte. In den letzten Jahrzehnten vor seinem Fall hatten viele Römer das Gefühl, dass die Probleme des Reiches nicht mehr gelöst werden konnten. Es war einfacher, sich auf die eigenen Angelegenheiten zu konzentrieren, sich dem Luxus und der Unterhaltung hinzugeben, anstatt die strukturellen Probleme anzugehen, die das Reich immer weiter schwächten. Die römischen Bürger begannen, das drohende Chaos zu akzeptieren, nach dem Motto, "Das wird schon alles irgendwie.“ Doch das irgendwie führte am Ende zum Zusammenbruch einer der größten Zivilisationen der Geschichte.
Ein anderes Beispiel, die Weimarer Republik in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. Die wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten in den 1920er Jahren schufen eine Atmosphäre der Unsicherheit. Viele Menschen waren so erschöpft von den politischen Auseinandersetzungen, den wirtschaftlichen Turbulenzen und der ständigen Bedrohung durch Extremismus, dass sie sich innerlich abwandten. In dieser Phase breiteten sich nicht nur Gleichgültigkeit, sondern auch Zynismus und Resignation aus. Diese Haltung trug dazu bei, dass extremistische Kräfte wie die Nationalsozialisten an Macht gewannen. Die Gleichgültigkeit vieler, die nicht an den Wahlen teilnahmen oder die Bedrohung nicht ernst nahmen, trug entscheidend zur Katastrophe bei die folgte. Auch die von den Nationalsozialisten suggerierte Gefahr, daß andere die Extremisten wären, wurde somit nicht erkannt.
Aber zurück zu unserer heutigen Gesellschaft. Wie kommt es, dass wir angesichts von Bedrohungen wie Krieg, einer drohenden Wirtschaftskrise oder dem Niedergang des Gesundheitssystems oftmals nur mit den Schultern zucken?
Eine wichtige Ursache ist die schiere Menge an Problemen, die uns präsentiert werden. Das Gefühl, überfordert zu sein, weil so viele Baustellen gleichzeitig existieren, führt zu einer Art emotionaler Schutzreaktion. Es ist einfacher, sich nicht zu intensiv mit den großen, beängstigenden Themen auseinanderzusetzen, wenn man ohnehin das Gefühl hat, nichts ändern zu können. Viele Menschen fühlen sich hilflos und aus dieser Hilflosigkeit wächst Gleichgültigkeit.
Ein Beispiel dafür sehen wir bei der Wohnungsnot in vielen Städten. Seit Jahren gibt es Berichte über steigende Mieten, Wohnungsmangel und den wachsende Strukturwandel von Stadtteilen. Ganze Bevölkerungsgruppen, vor allem die finanziell Schwachen, werden aus ihren Stadtvierteln verdrängt. Die Menschen protestieren zwar gelegentlich, aber viele von uns haben sich damit abgefunden, dass die Mieten halt steigen. Vielleicht lesen wir ab und zu mal einen Bericht über eine Demo oder eine Diskussion im Stadtrat aber oft ist da dieses Gefühl "Was kann ich schon tun? So ist der Lauf der Dinge.“
Und das bringt uns zur nächsten Gefahr der Gleichgültigkeit, sie lähmt den Willen zur Veränderung. Wenn eine Gesellschaft anfängt, Probleme als unveränderlich zu akzeptieren, verschwindet der Antrieb, Lösungen zu finden. Wenn wir denken, dass eine drohende Wirtschaftskrise eben einfach passiert und nicht verhindert werden kann, unternehmen wir auch nichts, um sie abzuwenden. Diese passive Haltung kann fatale Folgen haben. Denn Krisen lösen sich nicht von selbst. Sie erfordern Engagement, politische Maßnahmen und oft auch Veränderungen im Verhalten der Menschen. Gleichgültigkeit blockiert diesen Prozess.
Ein weiteres Problem, das mit der Gleichgültigkeit einhergeht, ist, dass sie andere Probleme unsichtbar macht. Wenn wir aufhören, uns für die großen Themen zu interessieren wie eine mögliche Wirtschaftskrise oder den Zustand des Gesundheitssystems, dann verlieren wir auch den Blick für die kleineren, aber ebenso wichtigen Probleme in unserem Umfeld. Ein Beispiel während einer wirtschaftlichen Krise leiden besonders die Schwächsten in der Gesellschaft, Menschen mit geringem Einkommen, Kranke oder Rentner. Wenn wir uns nicht mehr dafür interessieren, wie es diesen Menschen geht, weil wir die Krise als unvermeidlich ansehen, dann verschärfen sich soziale Ungleichheiten.
Wir sehen diese Dynamik oft in Zeiten politischer Instabilität. Wenn große Themen wie Krieg oder wirtschaftliche Turbulenzen die öffentliche Diskussion dominieren, werden oft andere, alltägliche Probleme übersehen. Das Bildungssystem verfällt, soziale Spannungen nehmen zu, oder andere Maßnahmen geraten in den Hintergrund. Gleichgültigkeit sorgt dafür, dass diese Probleme unbemerkt immer größer werden.
Kann man der Gleichgültigkeit auch etwas Positives abgewinnen? Vielleicht. Ein bisschen Gleichgültigkeit kann uns davor bewahren, in ständiger Panik oder Angst zu leben. Wenn wir bei jedem neuen Problem sofort in den "Alarmmodus“ schalten würden, wären wir emotional und psychisch wahrscheinlich irgendwann am Ende. Gleichgültigkeit kann also eine Art Schutzmechanismus sein, der uns davor bewahrt, uns in den vielen Problemen der Welt zu verlieren.
Es könnte auch sein, dass eine gewisse Distanz uns hilft, klarer zu denken. Wenn wir uns nicht sofort von jeder Krise überwältigen lassen, haben wir vielleicht den Kopf frei, um konstruktiv an Lösungen zu arbeiten. Aber diese Form von "positiver Gleichgültigkeit“ erfordert ein hohes Maß an Selbstbewusstsein und Engagement. Sie darf nicht zur völligen Resignation führen, sondern muss eine bewusste Entscheidung sein, sich auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist.
Fazit: Wachen wir rechtzeitig auf?
Das große Problem der Gleichgültigkeit ist, dass sie schleichend kommt. Sie ist nicht plötzlich da, sie baut sich langsam auf, Stück für Stück, bis wir irgendwann feststellen, dass wir uns nicht mehr um die wirklich wichtigen Dinge kümmern. Die Geschichte zeigt uns, dass Gesellschaften, die gleichgültig werden, oft in Krisen geraten. Ob Rom, die Weimarer Republik oder andere Beispiele. Wenn die Bürger aufhören, sich zu engagieren, geraten die Fundamente ins Wanken.
Vielleicht sollten wir also genau hinschauen, wann diese Gleichgültigkeit bei uns einsetzt. Wann hören wir auf, uns über politische und wirtschaftliche Entwicklungen Sorgen zu machen, und fangen an, sie als gegeben zu akzeptieren? Denn wenn wir rechtzeitig aufwachen, haben wir die Chance, etwas zu ändern, bevor die Krise wirklich zuschlägt.
Nur so ein Gedanke.
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Kommentare
Dieser Punkt ist längst überschritten ..
Gleichgültigkeit , nichts wissen wollen ..ist längst bei vielen Menschen angekommen , das erlebe ich ständig .
Gespräche ,,aufrütteln wollen ist nicht möglich , da sofort abgeblockt wird ...
...ich finde diese Einstellung teils gefährlich , da diese Menschen sich von nirgends Informationen holen , darum über die Weltgeschehnisse , die Probleme in unserem Land nichts oder kaum was wissen ..
.Beispiel:
...die nächste Impfwelle kommt , Sie werden ohne Bedenken wieder hingehen ...
Ich denke, dass diese Gleichgültigkeit auch durch Arbeitsüberlastung kommt. Viele arbeiten über ihre physischen, aber auch psychischen Grenzen hinaus und möchten nach getaner Arbeit nur noch ihre Ruhe und / oder das bisschen Freizeit was zur Verfügung steht genießen. Ich habe es selber, als Pflegefachkraft, so gehandhabt, bis ich erkrankt bin. Erst, seit meiner Dauererkrankung habe ich die Kraft und die Zeit, mich politisch über den Mainstream hinaus zu informieren und auch an Demos teilzunehmen.